Übung | Große Gefahr bei Flugunfällen

03.09.2021 22:15
Fabian Keppler-Stobrawe

Erbendorf. αWie groß die Gefahr für Einsatzkräfte und wie das richtige Vorgehen bei der Rettung von verunglückten Personen ist, erläuterte eindrucksvoll Hans Rachl, der unter anderem als Beauftragter der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) tätig ist. Mehr als 900 Flugunfälle habe er bereits begutachtet und konnte allerlei darüber erzählen.

In diesem Jahr wurden schon einige Flugunfälle im Bereich der ILS Nordoberpfalz gemeldet, erst kürzlich verunglückten zwei Ultraleichtflieger am Flugplatz in Weiden-Latsch. Da kam die Übung der FFW Erbendorf, zu der auch die Feuerwehren aus dem Landkreis Tirschenreuth und Nachbarlandkreisen eingeladen waren, gerade recht. Kommandant Bernhard Schmidt hatte für diese besondere Übung Hans Rachl gewinnen können, den er an der Staatlichen Feuerwehrschule Regensburg bei einer Weiterbildung zu Flugunfällen kennen lernte. "Das Thema Flugunfälle ist in Erbendorf natürlich präsent", sagt der Kommandant immer wieder im Vorfeld dieser halbtägigen Übung. Da am Flugplatz der Steinwaldstadt unter anderem Ultraleichtflieger starten und landen, müssten die Feuerwehrleute aus der Stadt und auch aus der Umgebung intensiv geschult werden.

Ultraleichtflieger haben ein Selbstrettungssystem an Bord: Mittels einer kleinen Rakete wird ein Fallschirm in die Luft geschossen, der ein solches Fluggeräte sicher zu Boden begleiten soll. Löst der Pilot dieses System während eines Unglücks nicht aus, ist die Rakete of noch "scharf" gestellt und könnte jederzeit beabsichtigt oder unabsichtlich zünden. Für Einsatzkräfte bedeutet dies immense Gefahr für die eigene Gesundheit.

Rachl, der seit 1980 in der Fliegerei tätig ist, erläuterte eindrucksvoll in einer 90-minütigen Theorieeinheit, die alles andere als langweilig war, dass Flugsportgeräte mit der Kennzeichnung D-Mxxx über eine solche Selbstrettungseinheit verfügen. Daher solle ein erster Blick, wenn möglich, auf die Flugzeugkennung fallen, hernach noch, ob der Bremsfallschirm sichtbar ist, dann wäre die Gefahr gebannt.

Wenn nicht, müssen sich die Einsatzkräfte auf die Suche machen: Wo ist die Rakete? In welche Richtung könnte sie fliegen? Dieser Bereich sei unbedingt abzusperren und vor unbefugtem Betreten zu sichern. Außerdem empfahl der Flugunfallspezialist, die Auslösevorrichtung zu sichern: "Das kann mit einem Kabelbinder oder einem Stück Draht einfach gemacht werden", sagte Rachl. Alles sei erlaubt, solange die Rakete vor unbeabsichtigtem Auslösen geschützt werden könne. Auch sollten die Trümmerteile rund um die Rakete nicht mehr bewegt werden und, wenn möglich, den Auslösezug zu klemmen und zu zertrennen. Hilfreiche Tipps, welches Werkzeug dafür geeignet sei, inklusive.

Anschaulich erläuterte Rachl an unzähligen Beispielen, dass jeder Flugunfall anders verlaufe, dass die Auslösevorrichtungen in jedem Flugzeug anders verbaut seien und auch die Raketenaustrittsstelle an einem Ultraleichtgerät an verschiedenen Stellen sein kann. "Es wird empfohlen, diese mit einem Aufkleber sichtbar zu machen", erklärte Rachl, aber nicht alle Piloten täten dies. Sicher sei nur: Die Rakete zünde nie direkt nach vorne oder nach hinten - daher sei ein erster Angriffsweg genau in diesen Richtungen sinnvoll.

Im Anschluss an den Vortrag, ging es zur Praxis: zunächst zündete Rachl kontrolliert eine Rakete, um den Einsatzkräften die immense Schubkraft zu demonstrieren. Hernach galt es in einer Einsatzübung zwei Verletzte aus einem abgestürzten Fluggerät mit der Kennung D-Mxxx zu retten. Unter der fachmännischen Aufsicht des Flugunfallexperten wurden die beiden Verletzten von Feuerwehr und Rettungsdienst befreit. Natrülich wurde auch die Gefahrenzone in Schussrichtung der Rakete gesichert und die angenomme Unfallstelle entsprechend gesichert. Hie und da gab es noch ein paar Tipps, wie noch effektiver gearbeitet werden könne, aber prinzipiell wurde das Vorgehen der Einsatzkräfte gelobt.

An der Übung am heutigen Freitagnachmittag nahmen rund 70 Einsatzkräfte teil, diese waren unter anderem aktiv beim Rettungsdienst oder verschiedenen Feuerwehren, wie Erbendorf, Mitterteich, Tirschenreuth, Windischeschenbach oder Wetzldorf. Zudem waren einige Disponenten der Leitstelle ILS Nordoberpfalz zugegen. Die gleiche Übung wird am morgigen Samstag wiederholt und nochmal rund 60 Teilnehmer erwartet.

Der Dank des Kommandanten galt nicht nur dem Referenten und der Einsatzgruppen, die an der Praxisübung teilnahmen, sondern auch insbesondere der Flugsportgemeinschaft Erbendorf/Grafenwöhr, die für eine großartige Verpflegung der Übungsteilnehmer sorgte. "Wen wir durch unser Tun auch nur ein Menschenleben vor der drohenden Gefahr schützen können", resümierte Rachl, "dann waren dies heute für uns die wertvollsten 240 Minuten."